Neue Drohungen gegenüber indigener Gemeinschaft

Textfeld "Wirtschaftliche, soziale & kulturelle Rechte"

Die indigene Gemeinschaft der Sengwer sieht sich mit erneuten Zwangsräumungsdrohungen konfrontiert. Am 21. Januar kündigte ein örtlicher Regierungsmitarbeiter verstärkte Sicherheitseinsätze an, um alle Bewohner_innen, die in seinen Augen "alle Kriminelle und Viehdiebe" seien, aus dem Wald zu vertreiben. Robert Kirotich Kibor, ein Angehöriger der Sengwer-Gemeinschaft, wurde erschossen und David Kosgei Kiptilkesi wurde während einer Zwangsräumung durch Schüsse schwer verletzt.

Appell an

Emilio N. Mugo

Kenya Forest Service Director’s Office

P.O Box 30513-00100

Nairobi, KENIA

Sende eine Kopie an

Ambassador of the European Union Delegation

to Kenya


H.E. Ambassador Stefano Dejak

Union House, Ragati Road

P O Box 45119 00100 Nairobi, KENIA 

E-Mail: stefano.dejak@eeas.europa.eu

Botschaft der Republik Kenia

S. E. Herrn Joseph Kipng'etich Magutt

Markgrafenstraße 63

10969 Berlin

Fax: 030-25 92 66 50

E-Mail: office@kenyaembassyberlin.de

 

Amnesty fordert:

  • Bitte unternehmen Sie umgehend die nötigen Schritte, um sicherzustellen, dass Sengwer-Sprecher_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen für die Ausübung ihrer Menschenrechte nicht belästigt, bedroht oder eingeschüchtert werden.
  • Stoppen Sie bitte die Zwangsräumungen der Sengwer und stellen Sie sicher, dass sie in ihr angestammtes Land im Embobut-Wald zurückkehren können.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass eine umgehende, unabhängige, gründliche Untersuchung der Zwangsräumungen und Gewaltanwendungen im Embobut-Wald, vor allem des Todes von Robert Kirotich Kibor, unternommen wird. Die Verantwortlichen für die unverhältnismäßige Gewaltanwendung, einschließlich der Tötung, sollen in einem ordentlichen Gerichtsverfahren zur Verantwortung gezogen werden.
  • Bitte einigen Sie sich mit der Sengwer-Gemeinschaft auf eine neue Strategie für den Erhalt des Embobut-Waldes, die die Sengwer als Mitverwalter_innen, Miterhalter_innen und Eigentümer_innen des Landes anerkennt.

Sachlage

Die indigene Sengwer-Gemeinschaft im Embobut-Wald in den Cherengany Hills im westlichen Hochland Kenias ist nach einer vorangegangenen Zwangsräumungsmaßnahme durch die Kenianische Forstbehörde (Kenya Forest Service – KFS) im Dezember 2017 erneut von Zwangsräumungen bedroht. Vor Kurzem berichteten betroffene Angehörige der Gemeinschaft, dass am 5. Februar über 30 Waldhüter_innen der Forstbehörde Häuser im Wald niedergebrannt und Viehgehege zerstört haben, obwohl die Sengwer-Gemeinschaft am 22. Januar die Erneuerung einer Anordnung erwirkt hatte, die besagt, dass die Regierung die Siedlungen der Sengwer im Embobut-Wald anerkennen muss. Die Zwangsräumungen verletzen zudem die Menschenrechte der Sengwer, darunter ihr Recht auf Wohnen und ihr Recht auf ihr angestammtes Land, die ihnen im Völkerrecht, in den Menschenrechtsstandards der Afrikanischen Union (AU) und in der kenianischen Verfassung garantiert werden. Der Embobut-Wald ist Teil eines Gebiets, für das ein vom EU-Entwicklungsfonds finanziertes Naturschutzprogramm besteht. Am 17. Januar kündigte die EU die Aussetzung der Programmfinanzierung an, doch die Regierung will die Zwangsräumungen dennoch weiter fortführen.

Angehörige der Gemeinschaft, darunter Gemeindesprecher_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen, werden von den Behörden ins Visier genommen. Am 16. Januar erschossen Angehörige der Forstbehörde den 45-jährigen Robert Kirotich Kibor und verletzten den 35-jährigen David Kosgei Kiptilkesi schwer. Beide hüteten zu der Zeit eine Viehherde im Kapkok Glade und waren unbewaffnet. Der Gemeindesprecher und Menschenrechtsverteidiger Elias Kimayo erfuhr von Bekannten, dass er unter Behördenaufsicht steht, sein Handy überwacht wird und dass ihn die Forstbehörde "eliminieren" will.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Embobut ist einer der Verwaltungsbezirke des Wahlkreises Ost-Marakwet im kenianischen Landkreis Elgeyo-Marakwet. Der Wald von Embobut ist die Heimat der Sengwer, einer indigenen Bevölkerungsgruppe, die dort schon seit Jahrhunderten lebt. Die Sengwer sind Jäger_innen und Sammler_innen und züchten Bienen. Sie fordern von der kenianischen Regierung die Anerkennung ihrer Landrechte in Embobut und gemeinsam mit ihnen die Ausarbeitung eines Plans zum Schutz des Waldes. Als die Zwangsräumungen im Januar 2014 begannen, beheimatete der Wald noch viele weitere Gemeinschaften, doch außer den Sengwer haben sie die Gegend inzwischen verlassen.

Im Mai 2017 urteilte der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker, dass die kenianische Regierung die Zwangräumung der indigenen Ogiek aus dem Mau-Wald rechtswidrig durchgeführt habe. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Regierung die Zwangsräumung zu Unrecht mit dem Schutz der Gegend begründet habe, da die Gespräche nicht gezeigt hatten, dass die Ogiek den Wald abholzten. Viele Fachleute betrachten den Fall Mau als wichtigen Präzendenzfall für die Rechte der Gemeinschaften in den Wäldern Kenias und anderer Länder.

Seit Januar 2014 haben die Sengwer und andere Quellen Amnesty International über mindestens 13 Aktionen berichtet, bei denen sie vertrieben werden sollten. Die Organisation ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Zwangsräumungen gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen. Im April 2017 schossen Waldhüter_innen der Forstbehörde auf den Gemeindesprecher und Aktivisten Elias Kimaiyo. Sie schlugen ihn, als er Zwangsräumungen filmte, und nahmen ihm seine Kamera und seinen Laptop weg. Bis heute hat die Polizei weder Maßnahmen gegen die verantwortlichen Waldhüter_innen ergriffen noch hat Elias Kimaiyo seine Ausrüstung zurückerhalten.

Trotz wiederholter Anfragen wurde Amnesty International bisher nicht die Erlaubnis erteilt, den Wald zu besuchen, um dort lebende Angehörige der Sengwer unabhängig zu befragen. Die rechtswidrigen Zwangsräumungen, Festnahmen und die Zerstörung der Häuser und des Eigentums haben schwerwiegende Folgen für die Gemeinschaft; viele der Sengwer leben dadurch im Elend.

Der Regierung zufolge stimmten die Sengwer zu, den Wald zu verlassen. Ihnen wurde jedoch keine Wahl gelassen. Ein Programm zur finanziellen Entschädigung, das erst nach Beginn der rechtswidrigen Zwangsräumungen begann, versank in der Korruption und kam vielen Waldbewohner_innen nicht zugute.

Der Europäische Entwicklungsfonds finanziert WaTer, ein Programm zum Schutz von Wasserreservoiren sowie Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten. Dies ist ein Umweltschutzprogramm, das Ökosysteme im Mount Elgon und den Cherangany Hills erhalten soll. Die Regierung beschuldigt die Sengwer, den Embobut-Wald zu schädigen und führt seit Januar 2014 Zwangsräumungen durch – vermeintlich aus Umweltschutzgründen. Am 17. Januar kündigte die EU nach Robert Kirotich Kibors Tod und der Gewaltanwendung durch Waldhüter_innen der Forstbehörde die Aussetzung der Programmfinanzierung an. Amnesty International unterstützt eine Wiederaufnahme des Programms unter Bedingungen, unter denen die Menschenrechte der betroffenen Gemeinschaften geachtet, geschützt und gewährleistet werden.

Geldgeber wie die EU sind verpflichtet, solchen Menschenrechtsverletzungen durch die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht entgegenzuwirken, indem sie die Einhaltung der Menschenrechte durch wirksame, regelmäßige Überprüfung sicherstellen. Das Versagen eines Empfängerlandes, seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, entbindet internationale Geldgeber bei negativen menschenrechtlichen Auswirkungen von Projekten oder anderen von ihnen subventionierten politischen Maßnahmen nicht von ihrer Verantwortung. Geldgeber und Finanzinstitutionen, die Projekte unterstützen, sollten sicherstellen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte umfassend wahrnehmen, um Risiken, die daraus erwachsen könnten, zu identifizieren und vorzubeugen oder sie zu mindern.

Am 17. Januar kündigte die EU nach Robert Kirotich Kibors Tod und der Gewaltanwendung durch Waldhüter_innen der Forstbehörde die Aussetzung der Programmfinanzierung an.