Belarus: Aktivisten weiterhin in Untersuchungshaft

Nina Labkovich ist am 23. Juli freigelassen worden. Die Aktivisten Ales Bialiatski, Valyantsin Stefanovich und Uladzimir Labkovich befinden sich jedoch aufgrund ihrer Arbeit im Menschenrechtszentrum Viasna weiterhin in Untersuchungshaft. Die strafrechtliche Verfolgung der drei Aktivisten ist Teil des systematischen Vorgehens der belarussischen Behörden gegen die Zivilbevölkerung und Menschenrechtsverteidiger_innen, das seit den Protesten im Kontext der Präsidentschaftswahlen vom August 2020 anhält. Sie haben keine Straftat begangen und müssen unverzüglich freigelassen werden.

Appell an

Andrey Shved

Prosecutor General of the Republic of Belarus

Vul. Internatsianalnaya

22 220030 Minsk

BELARUS

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Belarus

S. E. Herrn Denis Sidorenko

Am Treptower Park 32

12435 Berlin

Fax: 030-5363 5923

E-Mail:
germany@mfa.gov.by

 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf sicherzustellen, dass Valyantsyn Stefanovich, Uladzimir Labkovich und Ales Bialiatski umgehend und bedingungslos freigelassen werden. Sie haben keine anerkannte Straftat begangen und werden nur aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit strafrechtlich verfolgt.

Sachlage

Ales Bialiatski, Valyantsin Stefanovich und Uladzimir Labkovic wurden am 14. Juli zusammen mit anderen im Rahmen der jüngsten Massenrazzien der Sicherheitskräfte gegen die Zivilgesellschaft, Oppositionsgruppen und Menschenrechtsorganisationen festgenommen. Im März hatte die belarussische Ermittlungsbehörde wegen der Aktivitäten von Viasna gemäß Paragraf 342 des Strafgesetzbuches ("Planung und Organisation von Aktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen") ein Strafverfahren gegen die Organisation eingeleitet. Dies ist mutmaßlich der Grund für die Untersuchungshaft von Valyantsin Stefanovich, Uladzimir Labkovich und Ales Bialiatski. Paragraf 342 wird von den Behörden immer wieder missbraucht, um unbegründete Verfahren gegen Aktivist_innen der Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und Menschenrechtsverteidiger_innen einzuleiten. Auf diese Weise gehen die Behörden seit den weithin umstrittenen Präsidentschaftswahlen im August 2020 vor, als Tausende Belaruss_innen in meist friedlichen Protesten auf die Straße gingen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 14. Juli durchsuchten belarussische Sicherheitskräfte die Büros von mindestens einem Dutzend wichtiger zivilgesellschaftlicher Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsgruppen sowie die Wohnungen führender Vertreter_innen der Zivilgesellschaft. Zu den betroffenen Organisationen gehören die Menschenrechtsorganisation Viasna, der belarussische Journalistenverband, das belarussische Helsinki-Komitee, die Menschenrechtsgruppe Human Constanta, das unabhängige akademische Forschungszentrum BEROC, die Menschenrechtsgruppe Gender Perspectives, die 'Weltunion der Belarussen Batskaushchyna', die Oppositionspartei 'Belarussische Volksfront', die pro-demokratische Bewegung 'Für Freiheit' und der Imena-Verlag. Mindestens zwölf Personen wurden am 14. Juli inhaftiert. Einige von ihnen kamen ein paar Tage später wieder frei, doch der Vorsitzende von Viasna Ales Bialiatski, der Vize-Vorsitzende von Viasna Valyantsyn Stefanovich, der Rechtsbeistand der Organisation Uladzimir Labkovich und seine Frau Nina Labkovich wurden am 17. Juli in eine Untersuchungshaftanstalt überstellt. Nina Labkovich wurde am 23. Juli wieder freigelassen.

Dies ist nur der letzte Fall eines koordinierten und systematischen Vorgehens zur Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger_innen und jeglicher Form von Kritik an den belarussischen Behörden im Anschluss an die Proteste im Kontext der Wahlen, die im August 2020 begannen. Bereits am 16. Februar führten die Behörden gleichzeitig in Minsk, Homel, Mahilyou, Vitsebsk und Brest Razzien in den Wohnungen von Mitarbeiter_innen und in den Büros der Menschenrechtsorganisation Viasna, dem belarussischen Journalistenverband und der unabhängigen Gewerkschaft REP durch. Die Razzien fanden im Rahmen eines unbegründeten Strafverfahrens nach Paragraf 342 des belarussischen Strafgesetzbuchs ("Planung und Organisation von Aktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen") statt. Nach Angaben der belarussischen Ermittlungsbehörde zielten die Ermittlungen darauf ab, "die Umstände der Finanzierung von Protestaktivitäten festzustellen". Im März eröffnete die Ermittlungsbehörde ein Strafverfahren wegen der Aktivitäten von Viasna gemäß Paragraf 342 des Strafgesetzbuchs.

Die Anwälte aller drei Inhaftierten wurden gezwungen, Vertraulichkeitsvereinbarungen zu unterzeichnen. Es wird jedoch vermutet, dass die Untersuchungshaft von Valyantsin Stefanovich, Uladzimir Labkovich und Ales Bialiatski mit dem im März gegen sie eingeleiteten Strafverfahren nach Paragraf 342 zusammenhängen könnte, einem Paragrafen, der von den Behörden immer wieder missbraucht wird, um unbegründete Verfahren gegen zivilgesellschaftliche Akteur_innen, Journalist_innen und Menschenrechtsbeobachter_innen einzuleiten. Es gibt auch Anzeichen dafür, dass die drei Aktivisten wegen Steuerhinterziehung oder anderer Finanzdelikte angeklagt werden könnten. In einem Social-Media-Post vom 16. Juli deutete die Ermittlungsbehörde an, dass gegen sie und andere NGO-Mitglieder wegen "Schattentransfers" und Steuerhinterziehung ermittelt werde. Am 29. Juli erhielt Natalia Pinchuk, die Ehefrau von Ales Bialiatski, den ersten Brief von ihm, der mit "drei" nummeriert war; die ersten beiden Briefe hatten sie nicht erreicht. Auch die Familie von Valyantsin Stefanovich erhielt Briefe von ihm, in denen er ihnen mitteilte: "Ich bereite mich auf eine sehr lange Trennung von der freien Welt vor, aber trotzdem hoffe ich auf Besseres. Alles geht vorbei und auch dies wird vorübergehen, und wir werden wieder zusammen sein."