Amnesty Journal 28. März 2013

Willkürjustiz in Mosambik

In Mosambiks Gefängnissen sind Tausende Menschen ­inhaftiert, ohne für ein Verbrechen verurteilt worden zu sein. Ein neuer Bericht von Amnesty International belegt, dass viele willkürlich verhaftet und manchmal über Jahre ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt festgehalten werden.

Von Ulrich Fehling

Er wurde nie für ein Verbrechen verurteilt, stand nie vor Gericht. Offenbar wurde nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben. Und doch saß Jose Capitine Cossa zwölf Jahre lang im Hochsicherheitsgefängnis von Machava in der mosambikanischen Provinz Maputo. Im September 2012 wurde er nach einem gemeinsamen Appell von Amnesty International und der Mosambikanischen Menschenrechtsliga freigelassen. Der Generalstaatsanwalt von Mosambik musste zugegeben, dass die Inhaftierung unrechtmäßig war.

Besonders häufig werden ärmere Menschen in Mosambik willkürlich verhaftet. Die meisten von ihnen werden nicht darüber informiert, warum sie eingesperrt wurden. Auch werden sie oftmals nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Da sich viele Inhaftierte keinen Anwalt leisten können, werden sie, wenn überhaupt, meist von unqualifizierten Rechtsbeiständen vertreten. Einige Häftlinge beklagen, dass die Polizei sie nach der Verhaftung misshandelt habe, um Geständnisse zu erzwingen.

Mosambiks Willkürjustiz hat dazu geführt, dass Hunderte Gefangene im System einfach "verloren gegangen sind" und ohne Rechte im Gefängnis vegetieren müssen. In einigen Fällen sind die Akten der Gefangenen verloren gegangen oder enthalten gravierende Unstimmigkeiten.

Nach mosambikanischem Recht sollen alle Festgenommenen innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Dieser muss darüber entscheiden, ob die Verhaftung rechtmäßig ist oder nicht. In sehr vielen Fällen geschieht das jedoch nicht innerhalb dieser Frist.

Amnesty International fand in den Gefängnissen Häftlinge, die festgenommen worden waren, obwohl es keinerlei Anzeichen dafür gab, dass sie ein Verbrechen begangen hatten. Einige dieser Häftlinge waren sogar Kinder, obwohl Minderjährige unter 16 Jahren nach mosambikanischem Recht nicht inhaftiert werden dürfen. Auch um die Haftbedingungen ist es schlecht bestellt. Die sanitären Einrichtungen und die medizinische Versorgung sind häufig mangelhaft. Zudem sind die Gefängnisse chronisch überbelegt. Im Provinzgefängnis von Nampula fand Amnesty 196 Gefangene, die in eine Zelle von vierzehn mal sechs Metern eingepfercht waren. Sie saßen mit den Schultern aneinandergelehnt und mit hochgezogenen Beinen, weil das die einzige Möglichkeit war, dass alle in den Raum hineinpassten.

Im Juli 2012 schickte Amnesty International ein Memorandum an den Generalstaatsanwalt und forderte ihn auf, einen Blick auf einige besonders eklatante Fälle von Willkürjustiz zu werfen. Als Reaktion auf das Memorandum wurden vier Personen wegen unrechtmäßiger Verhaftung freigelassen – unter ­ihnen auch Jose Capitine Cossa. Ein Fall wurde vor Gericht gebracht, er endete mit Freispruch. Der Generalstaatsanwalt erklärte, dass er in neun Fällen keine Akten habe und dreizehn Häftlinge bis zu ihrem Prozess in verlängerter Untersuchungshaft bleiben müssten.

Der Autor ist Sprecher der Mosambik-Ländergruppe der deutschen ­Sektion von Amnesty International.

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