Amnesty Journal Myanmar 02. Oktober 2009

Poträt: Auung San Suu Kyi

Botschafterin des Gewissens

Die Militärjunta von Myanmar weicht nicht ab von ihrem diktatorischen Weg. Am 11. August verurteilte ein Gericht in Rangun Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu weiteren 18 Monaten Hausarrest. Vorausgegangen war ein Prozess, der mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hatte. Der Vorwurf an Suu Kyi: Sie soll illegal einen Amerikaner beherbergt haben.

Tatsächlich war Anfang Mai der US-Bürger John William Yettaw, ein Mormonenpriester, durch einen See zum Haus von Suu Kyi in Rangun geschwommen. Er glaubte, von Gott den Auftrag dafür erhalten zu haben. Diesen Vorfall nahm das Regime jedoch zum Anlass, die unbequeme Kämpferin für Menschenrechte und Demokratie weiterhin unter Hausarrest zu stellen. "Das Urteil in diesem Schauprozess zeigt, dass die Justiz nicht frei ist", sagte Bernd Forster, Myanmar-Experte von Amnesty International. "Man will verhindern, dass Suu Kyi im Wahlkampf für die für Mai 2010 angesetzten Wahlen mitarbeiten kann."

Rund um den Prozess versuchte die Militärjunta, sich ein ­moderates Image zu geben. Erstmals wurden am Ende der ­Verhandlung Journalisten in den Saal gelassen. Diktator Than Shwe ließ wenige Minuten nach Verkündung des Urteils, das ­ursprünglich drei Jahre Gefängnis und Zwangsarbeit für Suu Kyi vorgesehen hatte, mitteilen, dass die Strafe auf 18 Monate verkürzt und in einen Hausarrest umgewandelt werde. Yettaw, der zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt worden war, durfte das Land inzwischen verlassen.

US-Senator Jim Webb, ein Vertrauter von US-Präsident Barack Obama, war nach Myanmar gereist und hatte sich für die Freilassung Yettaws eingesetzt. Amnesty-Experte Forster vermutet jedoch, dass das Regime trotz dieser Signale weiterhin mit aller Härte gegen Oppositionelle vorgehen werde.

Die 64-jährige Suu Kyi verbrachte fast 14 der vergangenen 20 Jahre in Gefangenschaft, meist im Hausarrest. Dieser hätte Ende Mai dieses Jahres enden sollen, doch dann wurde sie erneut vor Gericht gestellt. Mehr als 2.100 Personen befinden sich in Myanmar derzeit wegen ihrer politischen Überzeugungen in Haft.

Suu Kyi ist die Prominenteste unter ihnen. Ihr Vater war der ­bekannte Nationalheld Aung San, der frühere Präsident der Anti-Fascist People’s Freedom League und Kommandeur der Burma Independence Army, die für die Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien gekämpft hat.

Suu Kyi wuchs in Indien auf, studierte in Oxford Philosophie, Politik und Wirtschaft und heiratete den Briten Michael Aris. 1988 kehrte sie in ihr Land zurück. Am 27. September des gleichen Jahres gründete sich die National League for Democracy (Nationale Liga für Demokratie), deren Vorsitzende sie wurde. Die Partei kämpft seitdem gewaltfrei für die Demokratisierung Myanmars.

1990 wurde Suu Kyi die Teilnahme an den Parlamentswahlen untersagt, der überwältigende Sieg ihrer Partei wurde nicht ­anerkannt. Für Suu Kyi nahm eine schier endlose Reihe von ­Gefangennahmen und Hausarresten ihren Anfang. Im Jahr 1991 erhielt sie für ihr Eintreten für Demokratie in Myanmar den Friedensnobelpreis.

Amnesty International ehrt sie in diesem Jahr mit dem Preis "Ambassador of Conscience" ("Botschafterin des Gewissens"). Dies wurde im Juli in Dublin auf einem Konzert der Rockband U2, die sich seit langem für Suu Kyi einsetzt, verkündet.

"Seit 20 Jahren sieht Amnesty sie als gewaltlose politische Gefangene an", sagte Irene Khan, internationale Generalse­kretärin von Amnesty International. "In diesen langen und ­oftmals dunklen Jahren ist Aung San Suu Kyi ein Symbol der Hoffnung, des Mutes und der unermüdlichen Verteidigung von Menschenrechten in Myanmar und der ganzen Welt geblieben."

Text: Stefan Wirner

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