Amnesty Report 07. Mai 2015

Mauretanien 2015

 

Folter und andere Misshandlungen kamen routinemäßig zur Anwendung, um "Geständnisse" zu erpressen und inhaftierte Personen zu bestrafen. Sklaverei existierte weiterhin. Manche Familien wurden schon über Generationen hinweg in Sklaverei gehalten. Betroffen waren hiervon insbesondere Frauen und Mädchen. Die Behörden schränkten die Rechte auf Meinungs- und auf Versammlungsfreiheit ein. Menschenrechtsverteidiger wurden drangsaliert und eingeschüchtert.

Hintergrund

Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz wurde im Juni 2014 für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt; mehr als 80% der Wählerstimmen entfielen auf ihn. Gegen dieses Ergebnis haben vier andere Präsidentschaftskandidaten bei der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission Beschwerde eingelegt. Präsident Aziz wurde zudem im Januar 2014 für ein Jahr zum Präsidenten der Afrikanischen Union gewählt.

Folter und andere Misshandlungen

Unabhängig von Alter, sozialem Rang oder Geschlecht waren Gefangene dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Frauen, Kinder, Homosexuelle und gewaltlose politische Gefangene sowie Häftlinge, die wegen allgemeinrechtlicher Vergehen verurteilt worden waren, berichteten Amnesty International, dass sie von Sicherheitskräften gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden seien. Folter und andere Misshandlungen wurden zwar hauptsächlich eingesetzt, um "Geständnisse" von Inhaftierten zu erpressen, dienten darüber hinaus aber auch der Bestrafung von Gefängnisinsassen.

Die Anwendung von Folter wurde durch Gesetze begünstigt, die es erlauben, Häftlinge wegen des Verdachts auf Verstöße gegen die nationale Sicherheit bis zu 45 Tage in Polizeigewahrsam zu halten. Diese zeitliche Beschränkung wurde regelmäßig überschritten. Foltervorwürfe, die vor Gericht erhoben wurden oder bei der Polizei eingingen, wurden nicht untersucht.

Zu den angewendeten Foltermethoden zählten Berichten zufolge u.a. regelmäßige Schläge, z.B. mit Stöcken, Schläge auf den Rücken, wobei Hände und Füße mit Handschellen auf dem Rücken fixiert waren, erzwungene Hockstellung über einen langen Zeitraum hinweg sowie die horizontale Anbringung einer Eisenstange an zwei Wasserbehältern und Aufhängung der Betroffenen an den Kniekehlen an der Stange. Inhaftierte Personen berichteten, dass sie Erklärungen unterschreiben mussten, ohne dass sie diese vorher lesen durften.

Sklaverei

Obwohl Gesetze verabschiedet worden waren, die Sklaverei als Straftat definierten, und zudem im Dezember 2013 ein Sondertribunal zur Anhörung von Fällen der Sklaverei eingerichtet worden war, wurden diese Gesetze in der Praxis kaum umgesetzt.

Gerichtsverfahren zogen sich übermäßig in die Länge. Zwischen 2010 und Ende 2014 wurden der Staatsanwaltschaft mindestens sechs Fälle von Sklaverei übergeben, über die bis Ende 2014 aber noch nicht entschieden worden war.

Die Regierung beschloss im März 2014 ein Strategiepapier zur Abschaffung der Sklaverei. Die darin enthaltenen 29 Empfehlungen sahen u.a. vor, das Antisklavereigesetz von 2007 auf weitere Formen der Sklaverei wie vererbte Sklaverei, Schuldknechtschaft und Frühverheiratung auszudehnen. Zudem wurde empfohlen, das Gesetz von 2007 durch Bestimmungen über Wiedereingliederungsprogramme für Menschen, die aus der Sklaverei befreit wurden, zu ergänzen. Außerdem sollen Initiativen durchgeführt werden, die das Bewusstsein dafür schärfen, dass es sich bei Sklaverei um eine Straftat handelt.

Im Mai 2014 wurde eine Sklavenhalterin in Echemin wegen der Versklavung der 15-jährigen MBeirika Mint M’Bareck angezeigt. Die Anklage gegen die Sklavenhalterin lautete auf "Ausbeutung einer Minderjährigen", Menschenrechtsorganisationen forderten jedoch, die Anklage in "Sklaverei" umzuändern. Als MBeirika Mint M’Bareck im Juni befreit wurde, klagte die Staatsanwaltschaft sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs (Zina) an, weil sie schwanger war. Die Anklage wurde später fallengelassen. Ihre Mutter und zwei Schwestern wurden Ende 2014 in Azamat, einer Stadt nahe der Grenze zu Mali, noch immer als Sklavinnen gehalten.

Ebenfalls im Mai berichtete die Organisation Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in Mauretanien (L’initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste en Mauritanie – IRA), dass eine Frau und ihre fünf Kinder in Ould Ramy nahe Wembou im Südosten von Mauretanien als Sklaven gehalten würden. Nachdem der Fall der Polizei übergeben worden war, verhörte diese die IRA-Vertreter und machte geltend, dass die IRA keine legal anerkannte Organisation sei. Schließlich erhielt die Gendarmerie den Auftrag, den Fall zu untersuchen. Bis Ende 2014 lagen jedoch keine Berichte über etwaige Untersuchungsfortschritte vor.

Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wurden wiederholt eingeschränkt.

Im März 2014 fanden in verschiedenen Städten, u.a. in Nouakchott, Kiffa und Aioun, Demonstrationen gegen einen Akt der Koranschändung durch unbekannte Männer statt. In Nouakchott setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein. Dadurch wurden zahlreiche Demonstrierende verletzt, und ein Student erstickte.

Ebenfalls im März schloss die Regierung mehrere gemeinnützige islamische Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und versiegelte die Büros dieser Einrichtungen. Eine offizielle Erklärung hierfür gab es nicht, doch die Regierung beschuldigte diese Organisationen, außerhalb ihres Mandats zu operieren.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger und andere gesellschaftspolitisch engagierte Personen waren Drangsalierung und Einschüchterung ausgesetzt, die bis hin zu Morddrohungen reichten. Die Polizei- und Justizbehörden unternahmen nichts, um die Verantwortlichen für diese Taten zur Rechenschaft zu ziehen.

Das IRA-Mitglied Cheikh Ould Vall wurde im Februar 2014 ohne Haftbefehl festgenommen. Cheikh Ould Vall blieb drei Tage in Gewahrsam, kam anschließend frei und wurde eine Woche danach erneut festgenommen, weil er seine Mutter bei einem Gerichtsverfahren wegen eines Landkonflikts unterstützt haben soll. Im April wurde er zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, von der sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt wurden. Er hätte im August freigelassen werden müssen, befand sich jedoch Ende 2014 noch immer in Haft.

Im Juni 2014 erhielt die Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation Association des femmes chefs de familles, Aminetou Mint El Moctar, Morddrohungen in Form einer Fatwa. Es liegen keine Informationen darüber vor, dass die Behörden aufgrund dieser Drohungen Untersuchungen eingeleitet hätten. Aminetou Mint El Moctar erhielt die Drohungen, nachdem sie ein faires Gerichtsverfahren für Cheikh Ould Mkheitir gefordert hatte.

Er war im Januar 2014 wegen der Veröffentlichung eines angeblich blasphemischen Artikels festgenommen und ins Gefängnis von Nouadhibou im Norden Mauretaniens gebracht worden. Er steht wegen Abfalls vom Glauben (Apostasie) unter Anklage und muss mit der Todesstrafe rechnen, falls er schuldig gesprochen wird.

Im September und November wurden mindestens zehn Aktivisten, die sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzten, in Nouakchott und Rosso verhaftet, darunter auch der Präsident der IRA, Biram Ould Dah Ould Abeid. Ende 2014 waren die Aktivisten in verschiedenen Hafteinrichtungen interniert und u.a. wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung angeklagt.

Verschwindenlassen

Von den 14 wegen Terrorismusverbrechen verurteilten Männern, die 2011 Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, starb einer im Mai 2014 in der Haft, während die anderen 13 in den Monaten Mai und Juli 2014 in das Zentralgefängnis von Nouakchott verbracht wurden.

Maarouf Ould Haiba, der 2010 wegen des Mordes an französischen Touristen zum Tode verurteilt und dann ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden war, starb im Mai 2014 während seiner Haft im inoffiziellen Haftzentrum Salah Eddin. Vor seinem Tod war er mehrmals in ein Militärkrankenhaus eingeliefert worden. Die Umstände seines Todes blieben unklar, und eine Untersuchung wurde nicht eingeleitet. Das Haftzentrum Salah Eddin im Norden des Landes wurde im Juli 2014 geschlossen. Die verbliebenen Gefangenen wurden ins Zentralgefängnis von Nouakchott überstellt.

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