Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 07. April 2021

Vereinigte Arabische Emirate 2020

Porträt eines Mannes im weissen Umhang und mit einem arabischen Turban

Der Blogger und Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor aus den Vereingten Arabischen Emiraten (Archivaufnahme)

Mindestens 25 gewaltlose politische Gefangene waren weiterhin inhaftiert, unter ihnen der bekannte Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor. Der Staat schränkte das Recht auf freie Meinungsäußerung 2020 unvermindert ein und ergriff Maßnahmen, um Staatsbürger_innen und andere Einwohner_innen des Landes zum Schweigen zu bringen, die Informationen über das Coronavirus verbreiteten oder sich kritisch zu anderen sozialen und politischen Themen äußerten. Mehrere Gefangene saßen auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafe immer noch im Gefängnis, was einer willkürlichen Inhaftierung entsprach. Ein britisches Gericht befand, dass Regierungschef Mohammed bin Rashed Al Maktoum zwei seiner Töchter entführt und inhaftiert habe.

Hintergrund

Die Behörden duldeten weiterhin keine politische Opposition und inhaftierten Andersdenkende. Zahlreiche Personen verbüßten weiterhin Haftstrafen, zu denen sie 2013 nach einem Massenprozess gegen 94 Angeklagte (auch bekannt unter der Bezeichnung VAE 94) verurteilt worden waren. Das Verfahren hatte mit Schuldsprüchen gegen 69 Personen geendet, denen man zur Last legte, eine geheime Organisation gegründet zu haben, um die Regierung zu stürzen.

Im Februar 2020 kündigten die Vereinigten Arabischen Emirate an, ihren "schrittweisen militärischen Rückzug" aus dem Jemen abzuschließen, nachdem sie fünf Jahre lang die internationale Militärallianz mit angeführt hatten, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff. Sie versorgten jedoch weiterhin Milizen im Jemen illegal mit Waffen und militärischer Ausrüstung (siehe Länderbericht Jemen). Die Regierung unterlief ein UN-Embargo und lieferte Waffen an die selbst ernannten Libysch-Arabischen Streitkräfte und flog im libyschen Luftraum Angriffe mit militärischen Drohnen, bei denen Menschen getötet wurden, die nicht direkt an den Kampfhandlungen beteiligt waren (siehe Länderbericht Libyen).

Willkürliche Inhaftierung

Mindestens zehn Personen blieben 2020 weiterhin willkürlich inhaftiert, obwohl sie ihre Haftstrafe bereits verbüßt hatten. Laut Artikel 40 und 48 des Antiterrorgesetzes (Gesetz Nr. 7/2014) konnten Personen mit "extremistischem oder terroristischem Gedankengut" auf unbestimmte Zeit zur "Beratung" inhaftiert werden. Die meisten dieser Gefangenen wurden im al-Razeen-Gefängnis in der Wüste südöstlich von Abu Dhabi festgehalten. Zu ihnen zählten Omran Ali al-Harithi, ein Angeklagter im VAE-94-Prozess, der im Juli 2019 hätte freigelassen werden müssen, und Abdullah Ebrahim al-Helu, der im Juni 2016 verurteilt worden war, weil er der gemeinnützigen Abteilung von al-Islah, dem ehemals legalen emiratischen Zweig der Muslimbruderschaft, angehörte. Er hätte im Mai 2017 aus der Haft freikommen müssen. Die Behörden ließen einige Gefangene frei, nachdem sie in Videos, die über regierungsnahe Social-Media-Kanäle verbreitet wurden, "bekannt" hatten, al-Islah sei eine "terroristische" Organisation, mit der sie nichts zu tun hätten.

Das höchste britische Familiengericht veröffentlichte im März 2020 ein im Dezember 2019 ergangenes Urteil, wonach Regierungschef Mohammed bin Rashed Al Maktoum dafür verantwortlich war, dass seine Tochter Shamsa im Jahr 2000 unter Zwang aus Großbritannien nach Dubai zurückgebracht wurde und dass seine andere Tochter Latifa bei einem Überfall auf See ergriffen und inhaftiert wurde, als sie 2018 versuchte, der königlichen Familie zu entfliehen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Mindestens 25 gewaltlose politische Gefangene saßen noch immer in Haft, weil sie friedlich ihre politische Meinung geäußert hatten. Dazu gehörten die im VAE-94-Prozess verurteilten Rechtsanwälte Mohammad al-Roken und Mohammed al-Mansoori, die einst Vorsitzende der Juristenvereinigung des Landes waren, bevor diese von 2011 von der Regierung übernommen wurde, weil sie freie Wahlen gefordert hatte. Auch Nasser bin Ghaith, der an der Zweigstelle der Sorbonne-Universität in Abu Dhabi Wirtschaftswissenschaften gelehrt hatte und 2015 inhaftiert worden war, sowie der Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor befanden sich nach wie vor in Haft.

Regierungsstellen in Dubai und Ajman drohten, alle Personen strafrechtlich zu verfolgen, die Informationen über das Coronavirus verbreiteten, die von den Behörden als irreführend erachtet wurden. Sie gaben später bekannt, dass mehrere entsprechende Verfahren eingeleitet worden seien.

Unfaire Gerichtsverfahren

Emiratische und ausländische Staatsangehörige wurden in unfairen Prozessen zu Haftstrafen verurteilt. Am 17. Februar 2020 bestätigte die für Staatssicherheit zuständige Kammer des Obersten Gerichtshofs den Schuldspruch und das Strafmaß für fünf libanesische Männer wegen Planung von Gewalttaten in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihre Gerichtsverfahren waren grob unfair. Man hatte die Gefangenen monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, ihnen den Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt und unter Folter erpresste "Geständnisse" als Beweismittel verwendet. Nach demselben Muster wurde im Mai der omanische Staatsangehörige Abdallah Awadh al-Shamsi – Sohn einer emiratischen Mutter und eines omanischen Vaters mit Wohnsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten – in einem unfairen Gerichtsverfahren zu lebenslanger Haft verurteilt.

Willkürlicher Entzug der Staatsangehörigkeit

Schätzungsweise 20.000 bis 100.000 in den Vereinigten Arabischen Emiraten geborene staatenlose Personen hatten weiterhin nicht dieselben Rechte wie emiratische Staatsangehörige, was staatliche Leistungen betraf, wie z. B. staatlich subventionierte Gesundheitsversorgung, Wohnraum, höhere Bildung und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Um Zugang zu diesen Leistungen zu erhalten, musste die Staatsbürgerschaft nachgewiesen werden, die staatenlosen Personen jedoch verweigert wurde, obwohl die meisten von ihnen seit Generationen in den Vereinigten Arabischen Emiraten verwurzelt waren.

Für staatenlose Emiratis, die im Rahmen eines Abkommens zwischen den Komoren und den Vereinigten Arabischen Emiraten aus dem Jahr 2008 komorische Pässe erhalten hatten, war es schwierig oder unmöglich, diese Pässe verlängern zu lassen, sodass viele von ihnen erneut keine Ausweispapiere hatten.

Frauenrechte

Frauen hatten weiterhin nicht dieselben Rechte wie Männer. Nach Paragraf 56.1 des Personenstandsgesetzes waren verheiratete Frauen verpflichtet, sich um den Haushalt zu kümmern, da dies ein "Recht" des Ehemannes sei. Ende 2019 war ein Satz dieses Paragrafen gestrichen worden, der besagte, dass ein Ehemann das Recht auf "höflichen Gehorsam" seiner Frau habe.

Laut Paragraf 72 bestimmten weiterhin Richter darüber, ob es einer verheirateten Frau erlaubt war, das Haus zu verlassen und zu arbeiten.

Amnesty International hatte in den beiden Vorjahren berichtet, dass Paragraf 53.1 des Strafgesetzbuchs, wonach die "Züchtigung der Ehefrau durch den Ehemann" als "Ausübung von Rechten" galt, noch immer in Kraft sei. Im Jahr 2020 erfuhr die Organisation, dass der betreffende Abschnitt Ende 2016 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden war.

Was die Übertragung der Staatsangehörigkeit auf die Kinder betraf, waren Frauen weiterhin benachteiligt: Kinder emiratischer Mütter erhielten nicht automatisch deren Staatsangehörigkeit, die Anerkennung lag vielmehr im Ermessen der Regierung.

Im September 2020 wurde Paragraf 334 des Strafgesetzbuchs aufgehoben, der sogenannte Ehrenmorde mit nur einem Monat Gefängnis bestraft hatte.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Einvernehmliche sexuelle Handlungen wurden strafrechtlich verfolgt, wenn es sich nach Paragraf 356 des Strafgesetzbuchs um eine "einvernehmliche Verletzung der Ehre" handelte. Auf Grundlage dieses Paragrafen konnten sowohl gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten als auch außerehelicher Sex bestraft werden. Die Mindeststrafe ist ein Jahr Haft. Die Bestimmung wurde in einigen Fällen dazu benutzt, um Arbeitsmigrantinnen strafrechtlich zu verfolgen, die ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatten. Sie mussten Gefängnisstrafen verbüßen, bevor sie das Land verlassen durften.

Rechte von Arbeitsmigrant_innen

Aufgrund des Sponsorensystems (kafala), das die Beschäftigung von Arbeitsmigrant_innen regelt, waren diese in einer prekären Lage und während der Corona-Pandemie 2020 einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Verschärft wurde dies durch unhygienische Lebensbedingungen in überfüllten Unterkünften, den unzureichenden Rechtsschutz von Arbeitsmigrant_innen und ihren begrenzten Zugang zu Gesundheitsfürsorge und medizinischer Behandlung.

Todesstrafe

Gerichte verhängten 2020 weiterhin neue Todesurteile, vor allem gegen ausländische Staatsangehörige wegen Gewaltverbrechen. Es wurden jedoch keine Hinrichtungen gemeldet.

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