Amnesty Report Ghana 29. März 2022

Ghana 2021

Mehrere Personen und Polizisten auf einer vollen Straße

Ein Streikproteste der ghanaischen Bus- und Kraftfahrer_innen gegen die Erhöhung des Kraftstoffpreises durch die Regierung am 6. Dezember 2021 in Accra, Ghana führte zu vielen gestrandeten Reisenden.

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Es gingen Berichte über exzessive Gewaltanwendung ein. Die Gefängnisse waren nach wie vor überfüllt. Frauen litten weiterhin unter Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Angriffe gegen LGBTI+ nahmen zu. Es wurden Anstrengungen unternommen, um in einem ersten Schritt besonders gefährdete Personen und systemrelevante Arbeitnehmer_innen gegen Covid-19 zu impfen. Mehrere Personen verloren ihre Wohnungen durch rechtswidrige Zwangsräumungen.

Hintergrund

Staatspräsident Akufo-Addo legte im Januar 2021 den Eid für eine zweite Amtszeit ab. Ab Mai riefen junge Ghanaer_innen unter Varianten des Hashtags #FixTheCountry in den Sozialen Medien zu sozialen und wirtschaftlichen Reformen auf.

Exzessive und unnötige Gewaltanwendung

Die Sicherheitskräfte griffen wiederholt auf exzessive und unnötige Gewalt zurück.

Mehrere Medien berichteten, dass Angehörige der nationalen Sicherheitsbehörde den Journalisten Peter Tabiri am 7. Mai 2021 tätlich angriffen, während er über eine Razzia in einem Kasino berichtete. Die Sicherheitskräfte sollen ihn getreten, geohrfeigt und mit Wasser übergossen haben, wobei sie ihn am rechten Ohr verletzten.

Am 11. Mai nahmen Angehörige der nationalen Sicherheitsbehörde den Reporter Caleb Kudah vom Radiosender Citi FM fest und griffen ihn Berichten zufolge tätlich an. Die Sicherheitskräfte hatten ihn dabei angetroffen, wie er verlassene, aus Staatsmitteln finanzierte Fahrzeuge auf dem Gelände der Behörde filmte. Anschließend drangen sie in die Räumlichkeiten von Citi FM ein und nahmen dort Kudahs Kollegin Zoe Abu-Baidoo fest. Beide wurden später ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt.

Bei einem Protest in der Ortschaft Ejura Sekyedumase in der Region Ashanti erschossen Militär- und Polizeikräfte am 29. Juni 2021 zwei Protestteilnehmer und verletzten vier weitere. Zur Untersuchung des Vorfalls wurde ein dreiköpfiger Ministerialausschuss eingesetzt, welcher der Regierung im Juli einen Bericht vorlegte.

Am 1. Juli griffen Militärangehörige in Wa in der Oberen Westregion wahllos Menschen an. Auslöser für die Gewalt war ein vermeintlich gestohlenes Handy. Die Militärführung beauftragte einen vierköpfigen Ausschuss mit der Untersuchung des Vorfalls. Drei Militärangehörige aus der Kaserne in Wa wurden degradiert, während acht weitere infolge eines Disziplinarverfahrens 30 Tage lang inhaftiert wurden.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Am 14. Januar 2021 nahm ein Polizist den Journalisten Selorm Gborbidzi fest, der für die in Accra erscheinende Zeitung The Finder arbeitet, weil er Videoaufnahmen von einem Handgemenge zwischen dem Polizisten und dem Fahrer eines Lieferwagens machte. Selorm Gborbidzi wurde nach vier Stunden aus dem Gewahrsam entlassen und wegen Behinderung der Justiz, illegalen Filmens eines Polizisten im Dienst und Beleidigung eines Polizisten angeklagt.

Unmenschliche Haftbedingungen

Die Gefängnisse waren nach wie vor überfüllt. Nach Angaben des Ministerialdirektors für Strafvollzug waren am 24. Juni 2021 insgesamt 13.200 Personen in Gefängnissen inhaftiert, obwohl die Einrichtungen nur für 9.945 Menschen ausgelegt waren. Die Gefangenen wurden nicht ausreichend ernährt, da pro Tag und Insass_in lediglich 1,80 Ghanaische Cedi (rund 0,25 Euro) für Nahrungsmittel zur Verfügung standen.

Rechte von Frauen und Mädchen

Der Entwurf eines Gesetzes über positive Diskriminierung (Affirmative Action Bill) hatte Ende 2021 noch keine Gesetzeskraft erlangt.

Im März 2021 wurden das Orange Support Centre und die App Boame in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um ein Projekt des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA Ghana) und der Regierung, das Betroffenen von häuslicher Gewalt die kostenlose Möglichkeit gibt, Fälle von Gewalt zu melden und Hilfe zu bekommen.

Die sogenannten "Hexendörfer" bestanden fort, obwohl die Regierung die Schließung dieser Dörfer zugesichert hatte. Ältere Frauen, die der "Hexerei" bezichtigt wurden, waren in Gefahr, in diese "Hexendörfer" verbannt zu werden. Am 23. Juli 2021, ein Jahr nachdem eine aufgebrachte Menschenmenge eine alte Frau erschlagen hatte, fand eine Gedenkveranstaltung statt, bei der das Parlament aufgerufen wurde, die Stigmatisierung von Menschen als "Hexen" unter Strafe zu stellen. Im Dezember berichteten verschiedene Medienkanäle, dass Jugendliche in Nalerigu in der Region North East eine ältere Frau zu Tode geprügelt hätten, weil sie sie der Hexerei verdächtigten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Die Diskriminierung von LGBTI+ nahm zu. Im Februar 2021 durchsuchten Polizist_innen das erst kurz zuvor eröffnete Büro der gemeinnützigen Organisation LGBT+ Rights Ghana und schlossen es. Am 20. Mai nahmen Polizist_innen 21 LGBTI-Aktivist_innen, die an einem Seminar teilnahmen, wegen rechtswidriger Versammlung fest. Im Juni wurden sie zunächst gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, und am 5. August wurden die Anklagepunkte gegen sie fallen gelassen.

Im Juni 2021 wurde der "Gesetzentwurf zur Förderung angemessener sexueller Menschenrechte und ghanaischer Familienwerte" (Promotion of Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill) in das Parlament eingebracht. Der Gesetzentwurf verschärfte die Kriminalisierung von LGBTI+ und sah Gefängnisstrafen für Personen vor, die LGBTI+ unterstützen oder "Sympathie" für sie bekunden. Des Weiteren befürwortete der Entwurf sogenannte Konversionstherapien und die "Neuausrichtung des Geschlechts" bei intergeschlechtlichen Kindern.

Recht auf Gesundheit

Der ghanaische Ärzt_innenverband Ghana Medical Association gab am 1. Februar 2021 bekannt, dass immer mehr Ärzt_innen an Covid-19 erkrankten und zwei von ihnen im Januar an Covid-19 gestorben waren.

Im März 2021 wurde mit der Impfung besonders gefährdeter Menschen und systemrelevanter Arbeitnehmer_innen gegen das Coronavirus begonnen. Für die Lieferung des Impfstoffs in ländliche Gebiete wurden Drohnen eingesetzt. Der ghanaische Vizepräsident Mahamudu Bawumia gab am 7. Mai bekannt, dass 2.161 Justizvollzugsbedienstete und 1.136 Inhaftierte mit Vorerkrankungen geimpft worden seien. Mitte Dezember waren weniger als zehn Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Die Kampagne Let’s Make Accra Work des für den Großraum Accra zuständigen Regionalministers sah den Abriss illegaler Bauten vor. Im Rahmen der Kampagne rissen die Behörden am 5. Juli 2021 Gebäude in den Railway Quarters entlang der Graphic Road in Accra ab, wodurch deren Bewohner_innen obdachlos wurden. Diese berichteten den Medien, dass sie nicht mit ausreichender Frist informiert worden waren. Ebenfalls im Juli wurden rund 3.000 Holzarbeiter_innen in Kaase-Angola im Kreis Asokwa, die jahrzehntelang in der Region gearbeitet hatten, aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Berichten zufolge soll die Regierung das Land an ein Privatunternehmen verkauft haben. Die Holzarbeiter_innen erklärten, dass sie mit einer Räumung auch ihren Arbeitsstandort verlieren würden, was ihren Lebensunterhalt beeinträchtigen würde.

Umweltzerstörung

Im Februar 2021 äußerten sich drei internationale Industrieunternehmen besorgt über die Auswirkungen des Bauxit-Abbaus im Atewa-Wald. Sie befürchteten negative Folgen für die Menschen sowie die Pflanzen- und Tierwelt des Waldes und erklärten, dass sie diese Lieferkette nicht nutzen würden.

Im Mai 2021 erklärte der Verteidigungsminister, dass 561 Angehörige der Streitkräfte im Rahmen eines viertägigen Einsatzes an die Flüsse Birim, Offin und Oda in der Ostregion und der Region Ashanti entsandt worden seien. Der Einsatz der Soldaten fand im Rahmen der Operation Halt zur Unterbindung illegaler Abbauaktivitäten statt, durch die Gewässer verschmutzt wurden. Am 27. Mai gab die Regierung die Entsendung von 401 Streitkräften an den Ankobra-Fluss bekannt, um dort die Abbauaktivitäten zu beenden.

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