Amnesty Report 07. April 2021

Ghana 2020

Lachende Jugendliche in gelben T-Shirts posieren mit Schildern, auf denen die "Sustainable Development Goals" der UN stehen

Gruppenbild nach einer gemeinsamen Fotoaktion beim Jugendcamp in der ghanaischen Stadt Oyibi (Archivbild 2018)

Mehr als tausend Gefangene wurden 2020 begnadigt. Einige Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Die Gefängnisse waren nach wie vor extrem überfüllt, und die Haftbedingungen waren erbärmlich. Frauen litten unter Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sahen sich weiterhin mit Diskriminierung konfrontiert. Das medizinische Personal war besonders gefährdet, sich mit dem Corona-Virus anzustecken.

Hintergrund

Präsident Akufo-Addo wurde im Dezember 2020 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.

Das Jahr 2020 war von Einschränkungen der Menschenrechte und repressiven Maßnahmen geprägt, die von den staatlichen Stellen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ergriffen wurden. Im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus legte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Verhängung von Beschränkungen vor, der am 21. März 2020 angenommen wurde. Durch das Gesetz traten verschiedene Maßnahmen in Kraft, die vor allem die Rechte auf Freizügigkeit und friedliche Versammlung einschränkten. Aufgrund einer im Juni erlassenen Durchführungsverordnung (als EI 164 bezeichnet) musste jede Person, die in der Öffentlichkeit ohne Mund-Nasen-Schutz angetroffen wurde, mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000 Ghanaischen Cedi (etwa 8.500 Euro) und/oder einer Gefängnisstrafe von vier bis zehn Jahren rechnen. 

Frauenrechte

Diskriminierung

Der Präsident hat sein Versprechen, dafür Sorge zu tragen, dass der Entwurf eines Gesetzes über positive Diskriminierung (Affirmative Action Bill) Gesetzeskraft erlangte, nicht erfüllt. Mit dem Gesetzentwurf sollte eine stärkere politische Teilhabe von Frauen erreicht werden. 

Gewalt gegen Frauen

Akua Denteh, eine 90 Jahre alte Frau, wurde am 23. Juli 2020 in der Stadt Kafaba (Bezirk East Gonja, Region Savannah) von einer aufgebrachten Menschenmenge wegen angeblicher Hexerei erschlagen. Im Juli und August 2020 nahm die Polizei mehrere Verdächtige fest, die mutmaßlich an der Tötung beteiligt waren. Die Ministerin für Gleichstellung, Kinder und soziale Sicherheit sicherte im August zu, Frauen, die in sogenannten "Hexendörfern" leben, u. a. durch ihre Einbeziehung in das Sozialprogramm Livelihood Empowerment Against Poverty zu unterstützen. Medienberichten zufolge wurde am 29. August in der Region Savannah eine weitere der Hexerei bezichtigte Frau attackiert und schwer verletzt. 

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI) wurden immer noch diskriminiert. Einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern waren weiterhin strafbar. Religiöse und politische Sprecher_innen sowie die Medien verwendeten Hatespeech gegen LGBTI und erzeugten so ein Klima der Angst, Feindseligkeit und Intoleranz gegen sie. 

Recht auf Gesundheit 

Medizinisches Personal

Die begrenzte Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung für das medizinische Personal und die unzureichende Ausstattung der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen waren auf zu geringe Investitionen in das Gesundheitswesen zurückzuführen und behinderten die Anstrengungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Mit Stand vom April 2020 wurden im Greater Accra Regional Hospital in Accra, der Hauptstadt Ghanas, das zur zentralen Einrichtung für die Versorgung von Covid-19-Kranken bestimmt worden war, lediglich vier Betten für diesen Zweck vorgehalten. Im August wurde im Ga East Hospital in Accra ein Zentrum für die Isolierung und Behandlung von Infektionskranken eingerichtet. Das aus privaten Mitteln finanzierte Zentrum verfügte über 100 Betten. Der Generaldirektor des Gesundheitswesens teilte mit, dass sich bis Juli 2020 etwa 2.065 Beschäftigte des Gesundheitswesens mit dem Corona-Virus infiziert hatten. Sechs waren durch Komplikationen im Krankheitsverlauf an Covid-19 gestorben.



Haftbedingungen

Der Präsident begnadigte im März und Juni 2020 Hunderte Gefangene. Diese Maßnahme zielte – vor allem vor dem Hintergrund der Gefährlichkeit des Corona-Virus – darauf ab, die gesundheitlichen Risiken zu verringern, die durch die Überfüllung der Gefängnisse bestanden. Unter den Begnadigten waren 1.555 Ersttäter_innen, die bereits die Hälfte ihrer Strafe verbüßt hatten, sowie 15 schwerkranke und 19 alte Häftlinge. Die gegen neun Gefangene verhängten Todesurteile wurden in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt. Die lebenslangen Haftstrafen von vier Gefangenen wurden auf 20 Jahre herabgesetzt. Diese Maßnahmen änderten jedoch nichts an der chronischen Überbelegung der Gefängnisse und den harten Haftbedingungen. Im November 2020 saßen nach Angaben des World Prison Brief, einer renommierten Datenbank mit Informationen zu Strafvollzugssystemen, 13.333 Menschen in den Gefängnissen ein. Aus den Statistiken der Strafvollzugsverwaltung ging hervor, dass die 44 Gefängnisse des Landes lediglich für insgesamt 9.945 Häftlinge ausgelegt waren. Die Häftlinge bekamen zu wenig und zu schlechtes Essen, und die medizinische Versorgung sowie die hygienischen Verhältnisse waren desolat. 

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Im April 2020 – während des Lockdowns auf dem Höhepunkt der Pandemie – wurden unter Aufsicht der Stadtverordnetenversammlung für den Großraum Accra (Accra Metropolitan Assembly) in Old Faduma, einem Slum in Accra, Wohnungen abgerissen. Etwa 1.000 Bewohner_innen wurden obdachlos und waren dadurch stärker gefährdet, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, zumal die Regierung keine Vorkehrungen traf, um ihnen alternative Unterbringungsmöglichkeiten anzubieten. 

Umweltzerstörung

Umweltschutzorganisationen und Aktivist_innen reichten im Januar 2020 eine zivilrechtliche Klageandrohung gegen die Regierung ein, die sich gegen ein geplantes Bergbauprojekt im Atewa Range Forest richtete, einer Hügelkette in der Region Eastern. Die Initiator_innen der Klage warfen der Regierung vor, das verfassungsmäßige Recht auf Leben und Würde zu missachten. Sie argumentierten, dass dieses Recht auch das Recht auf eine sichere und gesunde Umwelt beinhalte. Die Klageandrohung war eine Reaktion auf eine von Ghana und China unterzeichnete Absichtserklärung, mit der China sich den Zugriff auf die Bauxitvorkommen in dem Gebirge im Austausch für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben wie Straßen und Brücken sicherte. Nach Angaben der Beschwerdeführer_innen hätte das Bergbauprojekt negative Auswirkungen auf die Wasserversorgung, die Biodiversität und die Anpassung an den Klimawandel. Die Internationale Union für die Erhaltung der Natur verabschiedete im November eine Resolution, in der sie die ghanaische Regierung aufforderte, alle bergbaulichen Tätigkeiten im Atewa-Wald einzustellen und den Wald in einen Nationalpark umzuwandeln, um so seinen Schutz zu sichern.

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