Amnesty Report Bahrain 16. April 2020

Bahrain 2019

Eine Frau geht an einer Wand vorbei, an die zahlreiche Porträtfotografien geklebt

Eine Wand in der bahrainischen Stadt Sanabis mit Fotos von politischen Gefangenen (Archivaufnahme)

Die Behörden verschärften 2019 ihr Vorgehen, um kritische Meinungen zu unterdrücken, und nahmen dabei vor allem die Online-Kommunikation ins Visier, die den letzten Freiraum darstellte, in dem bahrainische Staatsbürger_innen noch Regierungskritik üben konnten. Protestierende und Personen, die wegen terrorismusbezogener Straftaten angeklagt waren, wurden in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Die Praxis, Personen die bahrainische Staatsangehörigkeit zu entziehen, wurde fortgesetzt. Hunderte Menschen, die deshalb staatenlos geworden waren, bekamen jedoch ihre bahrainische Staatsangehörigkeit zurück. Arbeitsmigrant_innen hatten weiterhin nur eingeschränkte Rechte und waren deshalb Ausbeutung und Übergriffen ausgesetzt. Frauen waren nach wie vor weder gesetzlich noch im Alltag Männern gleichgestellt. 2019 wurden wieder Todesurteile vollstreckt, nachdem es seit Januar 2017 keine Hinrichtungen mehr gegeben hatte. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen waren noch immer besorgniserregend und stellten in vielen Fällen erniedrigende und unmenschliche Behandlung dar.

Hintergrund

Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Ende 2018, von denen alle Kandidat_innen der Opposition ausgeschlossen waren, nahm die aus zwei Kammern bestehende Nationalversammlung Anfang 2019 ihre Arbeit auf.

Bahrain ließ weiterhin keine unabhängige Menschenrechtsbeobachtung zu und verweigerte unter anderem Amnesty International, Human Rights Watch sowie Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen die Einreise.

Das Land war weiterhin Teil der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführten internationalen Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff und dort an Kriegsverbrechen und anderen schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts beteiligt war (siehe Länderbericht Jemen). Bahrains Beitrag war jedoch überwiegend symbolischer Natur.

Gemeinsam mit Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hielt Bahrain die 2017 verhängten wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen Katar aufrecht.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden verstärkten ihre Drohungen gegen bahrainische Staatsangehörige, die das Regierungssystem oder die staatliche Politik in den sozialen Medien kritisierten. Nach der Schließung der letzten unabhängigen Zeitung al-Wasat im Jahr 2017 war das Internet der einzig verbliebene Raum, in dem Andersdenkende ihre politische Meinung äußern konnten. Am 20. Mai 2019 verkündete das Staatsoberhaupt, König Hamad, er habe die Sicherheitsbehörden angewiesen, den "Missbrauch der sozialen Medien" zu unterbinden. Und der Regierungschef wies das Innenministerium an, mit "harten Mitteln" gegen Internetseiten und soziale Medien vorzugehen, die er als "Gift und Eitergeschwüre" bezeichnete, die von "Feinden im In- und Ausland" verbreitet würden, um "Uneinigkeit zu säen". Am selben Tag gab das Innenministerium bekannt, man werde juristisch gegen Personen mit Nutzerkonten für soziale Medien in mehreren europäischen Ländern vorgehen, weil sie "Bahrains Ruf beschmutzten". Als Beispiel wurde der ehemalige Vizepräsident des inzwischen verbotenen Menschenrechtszentrums von Bahrain (Bahrain Center of Human Rights), Sayed Yusuf al-Muhafdha, genannt, der nach Deutschland geflohen ist.

In den darauffolgenden Wochen warnte das Innenministerium, insbesondere dessen Abteilung für Internetkriminalität, immer wieder vor Nutzerkonten in sozialen Medien, die "fitna" (Verhetzung oder soziale Zwietracht) verbreiteten, und drohte, jede Person, die diesen folge, deren Inhalte verbreite oder ihnen zustimme, strafrechtlich zu verfolgen. Ähnliche Warnungen wurden als SMS an die Bürger_innen Bahrains verschickt. Am 4. Juni 2019 kritisierte Twitter die Rhetorik Bahrains als eine potenzielle Bedrohung für die Meinungsfreiheit und den Journalismus.

Am 29. Oktober 2019 reichten Facebook und WhatsApp bei einem Bundesgericht in den USA Klage gegen das israelische Unternehmen NSO ein, das Spionagesoftware herstellt. Die Klage wirft dem Unternehmen vor, es habe im Auftrag Bahrains, der Vereinigten Arabischen Emirate und weiterer Länder 1.400 private Geräte ausspioniert. Betroffen seien "unter anderem Anwälte, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, politisch Andersdenkende und Diplomaten" in zahlreichen Ländern, darunter auch Personen in Bahrain und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Am 14. Juli 2019 strahlte der staatliche katarische TV-Nachrichtensender Al Jazeera ein Interview mit Yaser Adhbi al-Jalahima aus, einem ehemaligen Angehörigen der bahrainischen Streitkräfte. Darin warf er der Regierung vor, sie habe Beweise fingiert, die belegen sollten, dass Protestierende während der Aufstände im Jahr 2011 bewaffnet gewesen seien. Bahrain gab daraufhin bekannt, al-Jalahima sei am 30. April 2019 wegen Spionage für Katar in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden.

Während des gesamten Jahres 2019 bestellten die Behörden immer wieder Personen zum Verhör ein oder gingen strafrechtlich gegen sie vor, weil sie im Internet oder offline ihre Meinung geäußert hatten.

Am 16. Januar 2019 wurde der ehemalige Parlamentsabgeordnete der Opposition, Ali Rashid al-Asheeri, für schuldig befunden, die bahrainische Bevölkerung auf Twitter dazu aufgerufen zu haben, nicht an der Wahl zum Abgeordnetenhaus im November 2018 teilzunehmen. Er wurde zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Am 13. März 2019 erhielt der Generalsekretär der nicht-konfessionellen politischen Gruppe Wa’ad, Ebrahim Sharif, eine sechsmonatige Haftstrafe, weil er den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir auf Twitter beleidigt haben soll.

Am 15. Mai 2019 wurde der Rechtsanwalt Abdulla Abdul Rahman Hashim zum Verhör einbestellt und kurzzeitig inhaftiert. Er hatte auf Twitter Kommentare veröffentlicht, die als Kritik an den Behörden eingestuft worden waren.

Unfaire Gerichtsverfahren

Sowohl Personen, die wegen Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus angeklagt waren, als auch Protestierenden wurde das ganze Jahr 2019 über in unfairen Gerichtsverfahren der Prozess gemacht.

Am 28. Januar 2019 bestätigte ein Berufungsgericht die Schuldsprüche und Strafen, die in Massenprozessen gegen rund 200 Personen ergangen waren, wegen Anklagen im Zusammenhang mit Terrorismus in zwei Fällen, die als "Jaw-Gefängnisausbruch" und "Dhu al-Fiqar-Zelle" bekannt wurden.

Am 27. Februar 2019 wurden 167 Angeklagte in einem Massenprozess schuldig gesprochen und zu Haftstrafen verurteilt. Sie hatten über einen langen Zeitraum an einer friedlichen Sitzblockade vor dem Haus des schiitischen Scheichs Isa Qassem in Duraz teilgenommen, um gegen den Entzug seiner Staatsbürgerschaft zu protestieren. In einem weiteren Massenprozess, der am 16. April 2019 endete, wurden 138 Personen schuldig gesprochen, erhielten Strafen und verloren ihre bahrainische Staatsangehörigkeit, weil sie Verbindungen zu einer Zelle der "Bahrainischen Hisbollah" gehabt haben sollen. Ein Berufungsgericht bestätigte alle Urteile, die in den beiden Massenprozessen gefällt worden waren, setzte aber viele Strafen herab. Die endgültigen Gerichtsurteile reichten von drei Jahren Gefängnis bis hin zur Todesstrafe.

Entzug der Staatsbürgerschaft

Gerichte entschieden weiterhin, Bürger_innen ihre bahrainische Staatsangehörigkeit abzuerkennen. 643 Personen erhielten ihre Staatsbürgerschaft jedoch zurück. Die Zahl der Staatenlosen verringerte sich damit auf etwa 350 Personen.

Rechte von Arbeitsmigrant_innen

Arbeitsmigrant_innen wurden noch immer von ihren Arbeitgeber_innen ausgebeutet. Die in den vergangenen Jahren angekündigten Reformen schützten Geringverdiener_innen nicht ausreichend vor Ausbeutung. Bei den Arbeitsgerichten gingen Tausende Beschwerden über ausstehende Löhne ein.

Das 2017 eingeführte Flexi-Visa-System, das dabei helfen soll, den Status von Arbeitsmigrant_innen ohne Aufenthaltspapiere zu regeln, wurde 2019 vorübergehend ausgeweitet, damit auch diejenigen davon profitieren konnten, deren Lohnzahlungen ausstanden. Das System erlaubt Arbeitsmigrant_innen einen Aufenthalt in Bahrain ohne Bürgen (Sponsor). Sie können für mehrere Arbeitgeber_innen arbeiten, müssen dafür aber hohe Gebühren entrichten. Die Gebühren, die für Geringverdiener_innen bereits exorbitant sind, wurden 2019 noch weiter erhöht, um zu erreichen, dass verstärkt bahrainische Staatsbürger eingestellt werden. Ob das System einen Beitrag zur besseren Behandlung von Arbeitsmigrant_innen leisten wird, bleibt abzuwarten.

Ein für 2018 angekündigtes System, das gewährleisten soll, dass die Löhne gezahlt werden, trat auch 2019 aufgrund von Verzögerungen bei der Umsetzung nicht in Kraft. Sollte es eingeführt werden, müssten Arbeitgeber_innen alle Löhne ihres Personals auf Bankkonten überweisen, sodass die Regierung Fälle von nicht gezahlten Löhnen nachverfolgen könnte. Zunächst müssten sich große Unternehmen an dem System beteiligen, danach mittlere und kleine Unternehmen und schließlich auch die Arbeitgeber_innen von Hausangestellten.

Frauenrechte

Frauen waren 2019 nach wie vor rechtlich benachteiligt. Die Regierung hielt an ihren Vorbehalten bezüglich einiger wichtiger Artikel des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau fest. Dazu zählt auch Artikel 2 der Konvention, der die Unterzeichnerstaaten auffordert, "eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu verfolgen". Artikel 4 des bahrainischen Staatsbürgerschaftsgesetzes untersagt Frauen die Übertragung ihrer Nationalität an ihre Kinder – eine bahrainische Frau, die mit einem Ausländer verheiratet ist, kann ihre Nationalität nicht an ihre Kinder weitergeben. Nach Artikel 31 des Arbeitsgesetzes für den häuslichen Bereich von 2012 ist der Arbeitsminister befugt, "Arbeitsplätze festzulegen, an denen die Beschäftigung von Frauen verboten ist". Gemäß Verordnung 32/2013 des Arbeitsministeriums, die der Umsetzung dieses Gesetzes dient, dürfen Frauen nicht "an Arbeitsplätzen arbeiten, die ihnen einen größeren oder ständigen körperlichen Einsatz abverlangen" sowie in einer Reihe von bestimmten Berufen. Artikel 353 des Strafgesetzbuches legt fest, dass jeder, der sich einer Vergewaltigung oder sexueller Übergriffe schuldig gemacht hat, "einer Strafe entgeht und von früheren Verurteilungen freigesprochen wird, wenn er mit der geschädigten Frau eine gesetzliche Ehe eingeht".

Todesstrafe

Gerichte verhängten 2019 erneut Todesurteile und bestätigten bereits verhängte Urteile. Am 27. Juli 2019 wurden erstmals seit Januar 2017 wieder Hinrichtungen ausgeführt. Die Behörden weigerten sich, die Leichen der hingerichteten Männer an ihre Familien zu übergeben, um sie bestatten zu können, und hinderten einen Großteil der Familienangehörigen daran, an der Beerdigung teilzunehmen.

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in den bahrainischen Gefängnissen waren weiterhin unzureichend. Es gab zahlreiche Berichte über überfüllte Zellen, einen Mangel an Betten und Hygieneartikeln, unzureichende sanitäre Einrichtungen, Fälle von Lebensmittelvergiftungen, Hautentzündungen, eine Vernachlässigung der medizinischen Betreuung und die Verlegung in Einzelhaft als Strafmaßnahme. Die Mängel betrafen insbesondere das Jaw-Gefängnis, die Haupthaftanstalt Bahrains. In vielen Fällen kamen die Haftbedingungen und der Umgang mit den Häftlingen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe gleich.

Die längste Zeit des Jahres 2019 verweigerten die Gefängnisbehörden dem Häftling Ahmed Merza Ismaeel die notwendigen Medikamente gegen seine Sichelzellenanämie. Diese Krankheit verursacht entsetzliche Schmerzen, wenn sie nicht behandelt wird. Die Verweigerung der Therapie stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Folter und anderweitiger Misshandlungen sowie gegen das Recht auf Gesundheit dar.  

Berichte von Amnesty International

Bahrain: General stifling of freedom of expression on social media (MDE 11/1564/2019)

New mass trial of protesters in Bahrain (MDE 11/0002/2019)

Bahrain: Mass trial revoking citizenship of 138 people 'a mockery of justice’ (Press release, 16 April 2019)

Bahrain: Denial of medical care for seriously ill imprisoned activist 'latest act of cruelty’ (Press release, 11 September 2019)

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