Amnesty Journal Jemen 01. Februar 2019

Deutsche Waffen für die Golfallianz

Zeichnung einer aufgeschlagenen Zeitschrift

Die Bundesregierung genehmigt weiter Rüstungsexporte an die von Saudi-Arabien ­angeführte Militärallianz, die im Jemen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen kämpft – und verstößt damit gegen den Koalitionsvertrag.

Von Hauke Friederichs

Der Tod kam wieder einmal aus der Luft. Im vergangenen November zerriss eine Bombe einen Bus in der jemenitischen Hafenstadt Hodeida, sieben Menschen wurden getötet. Abgeworfen hatte den Sprengkörper ein Kampfflieger der Koalition arabischer Staaten, die im Jemen auf Seiten der international anerkannten Regierung gegen die Huthi-Rebellen kämpfen. Bei diesen Luftangriffen kommen häufig Zivil­personen ums Leben.



Die Führungsmacht der Koalition, Saudi-Arabien, setzt bei ihren Luftschlägen auch Kampfjets ein, die teilweise in Deutschland gefertigt werden wie Eurofighter und Tornado. Auch Ersatzteile für die Maschinen kommen aus der Bundesrepublik. Über Großbritannien will sich Saudi-Arabien zudem weitere 48 Eurofighter beschaffen, teilte das Bundeskabinett Ende 2018 mit. Die Managementorganisation des europäischen Gemeinschaftsjets, die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, hat ihren Hauptsitz in ­Bayern. Airbus Defence and Space ist mit 29 Prozent am Eurofighter-Programm beteiligt.



Airbus ist nicht der einzige deutsche Konzern, der am Krieg auf der Arabischen Halbinsel verdient. Andere Unternehmen liefern Bomben und Munition. Im Jemen und vor der Küste kommen verschiedene deutsche Waffen und Rüstungsgüter zum Einsatz. Auf dem Meer vor Hodeida gibt es seit Jahren eine Seeblockade. Auch von deutschen Werften gefertigte Boote dürften daran beteiligt sein. Denn Saudi-Arabien hat in Deutschland mehr als 140 Boote bestellt, darunter 33 für Patrouillen geeignete Seefahrzeuge mit einem 20-Millimeter-Geschütz. Bis Dezember 2018 hat die Bundesregierung die Ausfuhr von 17 Patrouillenbooten genehmigt.



Auch Aufklärungsdrohnen aus Deutschland ­setzen die saudischen Streitkräfte im Jemen ein. An den unbemannten Flugzeugen vom Typ Luna wurden saudische Sicherheitskräfte von Soldaten der Bundeswehr ausgebildet. Soldaten des Königreichs sind ­zudem mit Sturmgewehren vom Typ G36 ausgestattet.



Andere bedeutende Kunden der deutschen Rüstungsindustrie wie Ägypten, Jordanien oder die Vereinigten Arabischen Emirate setzten ebenfalls im Jemen Soldaten ein oder unterstützen die arabische Koalition. Ihr Einsatz ganz im Süden der Arabischen Halbinsel sorgt für großes Leid unter der Bevölkerung. Die Bundesregierung will dabei helfen, die Lage im Jemen zu verbessern und den Krieg zu beenden. Gleichzeitig liefert Deutschland Waffen und Rüstungsgüter an die Kriegsparteien. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung und Friedensgruppen wie der Dachverband Aktion Aufschrei kritisieren die Bundesregierung scharf, weil diese mit Rüstungsexporten zum Leid beitrage.



Grüne und Linke haben im Bundestag vergeblich beantragt, generell keine Waffen mehr an die Kriegsparteien zu liefern. "Jahrelang hat die Bundesregierung riesige Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien abgeschlossen. Mit einem Land, von dem alle wussten, dass dort die Menschenrechte systematisch missachtet werden", kritisiert Stefan Liebich, außenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. "Dann kam noch der Jemenkrieg hinzu, tausendfach ist dort mit deutschen Waffen in saudischer Hand gemordet worden."



Auf die deutschen Rüstungsexporte hat der Konflikt im Jemen keine Auswirkungen. Zwar beteuert die Bundesregierung, sie verfolge die Entwicklungen in der Region genau und berücksichtige dies bei ihren Genehmigungen. Dennoch war Saudi-Arabien in der ersten Hälfte des Jahres 2018 der drittgrößte Empfänger von Rüstungsgütern aus Deutschland. Und von zwölf Ausfuhrentscheidungen, die der Bundessicherheitsrat, ein geheim tagender Ausschuss der Bundesregierung, im September genehmigt hat, betrafen acht am Jemen-Konflikt beteiligte Staaten. Dabei hatten CDU, CSU und SPD in ihrem im Februar 2018 unterzeichneten Koalitionsvertrag vereinbart, keine Ausfuhren an Länder zu genehmigen, "solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind".



Dieser Passus verhinderte nicht, dass Angela Merkel und ihre wichtigsten Minister "Artillerie-Ortungsradarsysteme auf Trägerfahrzeugen mit Zubehör und adaptiven Panzerungskit für zugehörige Fahrerkabinen" für Saudi-Arabien freigaben. Erst nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018 kündigte die Bundesregierung an, vorerst keine Rüstungsexporte an Saudi-Arabien mehr zu ­genehmigen.



Doch die anderen Staaten der von Riad geführten Koalition sind davon nicht betroffen. Für die Vereinigten Arabischen Emirate etwa bewilligte der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 48 Gefechtsköpfen "zum Einbau in schiffsgestütztes Flugabwehrsystem". Antragsteller ist die TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme. Das Unternehmen darf auch 170 Gefechtsköpfe nach Katar exportieren. Das Land am Golf wird außerdem eine Panzerhaubitze aus Deutschland erhalten sowie Triebwerke für den Lenkflugkörper Meteor. Und Diehl ­Defence kann 91 "Zielsuchköpfe" für das Flugabwehrsystem RAM an die Emirate liefern. Der Mischkonzern beliefert zudem Ägypten mit sieben Luftverteidigungssystemen vom Typ Iris-T SLM. Und Anfang Januar wurde bekannt, dass der Bun­dessicherheitsrat dem Regime von Militärmachthaber Abdel Fattah al-Sisi den Verkauf einer Fregatte im Wert von 200 Millionen Euro genehmigt hat.



CDU/CSU und Teile der SPD meinten es ganz offensichtlich nicht ernst mit dem vereinbarten Exportstopp, sagt Alexander Lurz, Experte für Rüstungsexportpolitik von Greenpeace. Der befristete Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien reiche nicht. Denn die anderen Staaten der Jemen-Kriegskoalition, in erster Linie die Emirate, aber auch Ägypten, führten ihren Krieg im Schatten Saudi-Arabiens. "Über deren Rolle ist öffentlich viel zu wenig bekannt, sodass hier der Druck auf die Bundesregierung fehlt, Rüstungsexportgenehmigungen zu versagen", sagt Lurz.



Union und SPD hatten sich bei ihren Koalitionsverhandlungen eine Hintertür für Waffenlieferungen an die Kriegsparteien des Jemenkonflikts offengelassen. Sie einigten sich darauf, dass für bestehende Aufträge von Rüstungsunternehmen ein "Vertrauensschutz" bestehe, "sofern sie nachweisen, dass bereits ­genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland ­verbleiben". Dafür reicht eine vom Kunden unterschriebene einseitige Erklärung. Die Käufer bestätigen darin lediglich, dass sie die empfangenen Waffen nicht an Dritte weitergeben – einen Einsatz im Jemen-Krieg schließen sie nicht aus.

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