Amnesty Journal Irak 01. Januar 2020

Proteste im Irak: Regierung bekämpft Bevölkerung

Eine Gruppe von Demonstranten wird mit Tränengas beschossen.

Auch nach dem Rücktritt der Regierung von Adel Abdel Mahdi im Dezember ist eine friedliche Lösung des Machtkampfs im Irak nicht in Sicht. Den Hunderttausenden Menschen, die seit Oktober Woche für Woche für ihre Rechte auf die Straße gehen, reichen die bislang gemachten Angebote der politischen Führung in Bagdad nicht. Die alte Regierung hatte vor ihrem Rücktritt zwar versprochen, Arme stärker zu unterstützen und mehr Stellen für Hochschulabsolventen zu schaffen, die Forderungen nach einer Neugestaltung des politischen Systems und der Entmachtung der herrschenden Eliten bleiben jedoch unerfüllt. Stattdessen setzen die irakischen ­Sicherheitskräfte auf Repression und Gewalt, um die größte Protestbewegung seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 niederzuschlagen.

Seit der amerikanischen Invasion des Landes hat eine korrupte politische Elite den ölreichen Staat heruntergewirtschaftet und den Bürgern weder Sicherheit noch funktionierende Dienstleistungen geboten. Auslöser der Proteste war die Entlassung des Vizechefs der Antiterror-Elitetruppe "Goldene Division", die aufgrund ihres Einsatzes im Krieg ­gegen den Islamischen Staat (IS) hohes Ansehen in der Bevölkerung genießt. Abdul Wahhab al-Saadi war zudem gegen Korruption in den Reihen der Sicherheitskräfte vorgegangen, was wohl zu seiner Herabstufung auf einen Verwaltungsposten führte.

Mehr als 300 Menschen wurden bis Mitte Dezember bei den Protesten getötet. Ein Regierungsbericht warf den Sicherheitskräften übermäßige Gewaltanwendung vor, weil Scharfschützen von Dächern aus mit scharfer Munition auf die Menge feuerten. Später setzten die Sicherheitskräfte zwar überwiegend Tränengas, Gummigeschosse und Blend­granaten ein. Sie schossen aber immer wieder auch mit scharfer Munition und setzten Tränengasgranaten ein, die für Militäreinsätze entwickelt wurden und zu schweren Verletzungen bis hin zum Tod führen können.

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