Amnesty Journal Brasilien 28. September 2022

Nah an der Natur

Eine indigene Brasilianerin mit zu einem Zopf  zusammengebundenem Haar  in einem ärmellosen Kleid mit traditionellem Muster und ähnlichem Muster als Tätowierung auf ihrem rechten Arm steht in der Natur und lächelt.

Vandria Borari kämpft gegen Umweltzerstörung im brasilianischen Amazonasgebiet – auch mit Hilfe ihrer Keramikkunst. Bereits als Teenagerin setzte sie sich für bessere Lebensumstände in ihrem Dorf ein.

Von Luciana Ferrando

Sie trägt nicht nur den Namen ihrer Bevölkerungsgruppe, der Borari aus dem brasilianischen Bundesstaat Pará, mitten im Amazonasgebiet. Vandria Borari wurde auch zu deren Anführerin und Sprecherin, kämpft für deren Rechte und führt deren Tradition in der Keramikkunst fort. Schon mit 16 Jahren engagierte sie sich als Aktivistin, heute setzt sich die 38-Jährige als Juristin für die Borari ein. Um "hilfreicher" für ihre Leute zu sein, studierte sie Rechtswissenschaften und schloss 2019 als erste indigene Frau ihrer Region das Studium ab.

"Wir Menschen sind eins mit der Natur. Wenn wir sie zerstören, zerstören wir uns selbst." Mit dieser Gewissheit wuchs Borari im Dorf Alter do Chão am Ufer des Rio Tapajós auf. Schon als Kind konnte sie beobachten, wie der Regenwald abgeholzt wurde und sich ihre Umgebung schnell veränderte. Als Jugendliche fing Borari an, sich in ihrer Gemeinde zu engagieren. Sie kam mit anderen Teenager*innen aus der Region zusammen, die wie sie davon träumten, ihre Lebensumstände zu verbessern. Sie beschäftigten sich vor allem mit Umweltbildung, aber auch mit den allgemeinen Belangen der Dorfbewohner*innen.

Hafen lahmgelegt

2006 nahm Borari an einem großen Protest von Greenpeace gegen den Konzern Cargill teil. Im Hafen der Stadt Santarém verschiffte Cargill Soja aus dem Amazonasgebiet nach Europa. Damals gelang es den Aktivist*innen, den Hafen lahmzulegen. "Diese Aktion war wesentlich in meinem Leben. Sie zeigte mir, dass wir gemeinsam mehr erreichen können, aber auch, dass jede von uns wichtig ist", sagt Borari. "Seitdem habe ich nie mehr aufgehört, für die Erhaltung unseres Territoriums sowie gegen die Vernichtung des Regenwalds zu kämpfen." Deshalb sei sie zur Universität gegangen. "Rechtskenntnisse sind ein wertvolles Werkzeug, wenn es darum geht, unsere Rechte zu verteidigen und zu garantieren", sagt sie.

Ohne den Amazonas hat die Welt keine Zukunft, ohne ihn gibt es kein Leben.

Vandria
Borari

Als Teil eines amazonischen Anwaltskollektivs trat Borari Anfang November 2021 bei einem Panel der UN-Klimakonferenz in Glasgow auf. Es war nicht das erste Mal, dass sie in Europa ihre Stimme erhob. Borari kooperiert mit internationalen Umweltorganisationen und hält regelmäßig Vorträge über die Situation im Amazonasgebiet. Sie hofft auf internationale Solidarität, um politischen Druck auf Jair Bolsonaros Regierung und die Agrarkonzerne auszuüben, die im Amazonas Soja anbauen. Deren Felder werden durch Brand und Abholzung immer weiter vergrößert. Dabei werden Existenzen von Kleinbäuer*innen zerstört und Agrochemikalien benutzt, die Gewässer und Tiere vergiften und die Gesundheit der Bewohner*innen gefährden. "Ich wünsche mir, dass den Menschen in Europa unser Leid bewusst wird und sie uns unterstützen, zum Beispiel, indem sie keine Produkte von Firmen kaufen, die die Existenz unseres Landes bedrohen", sagt Borari.

Nicht nur als Aktivistin wird sie oft nach Europa eingeladen, sondern auch als Keramikkünstlerin. Sie versucht diese Kunstform, die sie von ihrer Großmutter und anderen älteren Frauen im Dorf lernte, mit ihrer politischen Arbeit zu verknüpfen. Als sie 2021 eine Zeit lang in Basel war, wiederholte sie bei jeder ­Gelegenheit eine Botschaft, die ihr besonders am Herzen liegt: "Ohne den Amazonas hat die Welt keine Zukunft, ohne ihn gibt es kein Leben."

Luciana Ferrando ist freie Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.

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