Aktuell Sri Lanka 17. Oktober 2021

Sri Lanka: Gewalt und diskriminierende Politik gegen muslimische Minderheit

Das Bild zeigt einen Mann in einem Zimmer, in dem völlig verkohlte und abgebrannte Möbel stehen

Ein Mann steht in den verkohlten Überresten eines von Angehörigen der muslimischen Minderheit bewohnten Hauses in der sri-lankischen Stadt Alutgama (17. Juni 2014). Das Haus wurde bei Ausschreitungen zerstört.  

Muslim_innen in Sri Lanka sind seit 2013 ständig von Diskriminierung, Schikanen und Gewalt betroffen. Nun zielt sogar die Regierungspolitik explizit auf diese Minderheit ab. Dies geht aus einem neuen Bericht von Amnesty International hervor.

Der Bericht "From Burning Houses to Burning Bodies: Anti-Muslim Harassment, Discrimination and Violence in Sri Lanka" dokumentiert die muslimfeindliche Entwicklung in Sri Lanka seit 2013 inmitten der zunehmenden Verbreitung des nationalistischen Sinhala-Buddhismus. Die Diskriminierung begann mit einer Serie von Angriffen durch private Akteure, die straffrei blieben, und entwickelte sich zu einer explizit muslimfeindlichen Regierungspolitik. Darunter fallen beispielsweise die Zwangseinäscherung von muslimischen Corona-Toten sowie die aktuellen Gesetzesvorschläge, den Niqab (Gesichtsschleier) und die Madrasas (religiöse Schulen) zu verbieten. 

"Muslimfeindlichkeit ist zwar in Sri Lanka nichts Neues, dennoch hat sich die Situation in den letzten Jahren stark verschärft. Alarmierend oft werden Gewalttaten gegen Muslim_innen von den Behörden stillschweigend gebilligt. Dies geht einher mit einer offen muslimfeindlichen Rhetorik und Politik der derzeitigen Regierung", sagte Kyle Ward, stellvertretender internationaler Generalsekretär von Amnesty International. 

"Die sri-lankischen Behörden müssen diesen alarmierenden Entwicklungen Einhalt gebieten und ihrer Pflicht nachkommen, Muslim_innen vor weiteren Angriffen zu schützen und die Täter_innen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie müssen aufhören, durch Regierungsmaßnahmen die muslimische Bevölkerung ins Visier zu nehmen, zu schikanieren und zu diskriminieren."

Amnesty-Video zu den Angriffen auf Muslim_innen in Sri Lanka:

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Zunehmende Feindseligkeit gegenüber Muslim_innen

Gewalttaten gegen Muslim_innen wurden seit 2013 immer häufiger und haben an Intensität zugenommen. In einer Reihe von Zwischenfällen kamen Verantwortliche für Angriffe und Hassreden straffrei davon.

Diese eskalierende Feindseligkeit begann im Jahr 2013 mit der Anti-Halal-Kampagne nationalistischer Sinhala-Buddhisten. Einige solcher Gruppierungen erreichten durch Lobbyarbeit, dass Nahrungsmittel nicht mehr halal-zertifiziert werden und somit für Muslim_innen unklar ist, ob sie nach den Vorschriften und Traditionen des Islams produziert wurden. Im Kontext dieser Kampagne wurden vermehrt Moscheen und muslimische Geschäfte angegriffen, wobei die Verantwortlichen oft nicht bestraft wurden. Dies sendete ein Signal an andere, dass Gewalttaten gegen Muslim_innen in Sri Lanka ungestraft begangen werden können.  

Im folgenden Jahr kam es in der südlichen Küstenstadt Aluthgama zu antimuslimischen Ausschreitungen, nachdem eine singhalesisch-buddhistische Gruppe eine Kundgebung in der Stadt abgehalten hatte. Auch hier blieben die Verantwortlichen straffrei und die Behörden sorgten nicht für Gerechtigkeit für die Betroffenen.  

Trotz der Beteuerungen der neuen Regierung seit 2015, Gerechtigkeit für ethnische und religiöse Minderheiten zu schaffen, gab es weiterhin Angriffe auf Muslim_innen. 

Bei diesen Vorfällen kamen die Verantwortlichen nicht nur straflos davon, sondern laut Betroffenen und Zeug_innen habe die Polizei die Gewalt auch nicht versucht zu verhindern. Zudem hätten die Polizei und die Streitkräfte ihnen nicht ausreichend Schutz geboten.

Das Bild zeigt die Überreste eines Hauses, das abgebrannt ist, das Mauerwerk. Rauch ist zu sehen.

Die Überreste eines von Angehörige der muslimischen Minderheit betriebenen Ladens nach antimuslimischen Angriffen in der sri-lankanischen Stadt Minuwangoda am 14. Mai 2019.

Eskalation seit den Anschlägen am Ostersonntag 2019 

Die Feindseligkeit gegenüber Muslim_innen hat deutlich zugenommen, nachdem am Ostersonntag 2019 mehr als 250 Menschen bei koordinierten Selbstmordattentaten getötet wurden, die von einer lokalen islamistischen Gruppe verübt wurden und zu denen sich die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat bekannte.  

Nach diesen Anschlägen wurden am 13. Mai 2019 Muslim_innen in mehreren Städten in der Nordwestprovinz während des Ramadan, einem der heiligsten Monate im muslimischen Kalender, attackiert. Auch Moscheen im ganzen Land wurden angegriffen, und in den sozialen Medien kam es zu einer Flut von Hassreden und antimuslimischer Hetze. Außerdem wurden von den Behörden im Eiltempo erlassene Notstandsverordnungen dazu benutzt, Hunderte von Muslim_innen nach den Anschlägen willkürlich festzunehmen. 

Seit ihrem Amtsantritt hat die derzeitige Regierung die muslimische Bevölkerung weiterhin ins Visier genommen und zum Sündenbock gemacht, um von politischen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken.

Dies zeigte sich in der obligatorischen Einäscherung der Leichen muslimischer Personen, die an Covid-19 gestorben waren. Dies wurde durchgesetzt, obwohl die Einäscherung im Islam ausdrücklich verboten ist und es keine wissenschaftlichen Beweise für die Behauptung gibt, dass das Begraben der Toten die Ausbreitung der Krankheit fördern würde.  

 

Das Bild zeigt ein. großes Gebäude mit zwei Minarett-Türmen, die Fenster sind zerstört

Die Fenster der Jumha-Mosche in der Stadt Minuwangoda in Sri Lanka sind nach einem antimuslimischen Angriff am 14. Mai 2019 zerstört.

Regierungsmaßnahmen richten sich gegen Muslim_innen 

 


Zwar wurde die Politik der Zwangseinäscherung wieder rückgängig gemacht, nachdem die Regierung im Vorfeld einer Abstimmung über Sri Lanka im UN-Menschenrechtsrat internationalem Druck nachgegeben hatte, doch versuchen die Behörden nach wie vor, diskriminierende Gesetze durchzusetzen, darunter ein Niqab-Verbot und ein Verbot von Madrasas. Sollten diese Gesetze verabschiedet werden, würden sie gegen das Recht auf Freiheit von Diskriminierung aufgrund der Religion verstoßen, das in der Verfassung Sri Lankas garantiert und geschützt wird, sowie gegen die internationale Menschenrechtsnormen, an die das Land gebunden ist. 

 

Die Behörden berufen sich auf bestehende Gesetze, um Muslim_innen ins Visier zu nehmen, darunter das Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act – PTA), das es erlaubt, Verdächtige ohne Anklage bis zu 90 Tage lang festzuhalten, ohne dass sie einem Gericht vorgeführt werden müssen. Hinzu kommt der Missbrauch des Gesetzes zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das die Verbreitung von rassistischem und religiösem Hass eigentlich verbieten soll. Wenn dieses Gesetz jedoch missbraucht wird, kommt seine Anwendung der Anstiftung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt gleich. 

 

Der Amnesty-Bericht dokumentiert mehrere Fälle, in denen diese Gesetze missbraucht wurden, um Einzelpersonen ins Visier zu nehmen. Betroffen sind zum Beispiel Hejaaz Hizbullah, ein Rechtsanwalt und Aktivist, der seit mehr als 15 Monaten inhaftiert ist, und Ahnaf Jazeem, ein Dichter und Lehrer, der am 16. Mai 2020 aufgrund unbegründeter Behauptungen über seine tamilisch-sprachigen Gedichte festgenommen wurde.  

 

"Von Anti-Terror-Gesetzen und Zwangseinäscherungen bis hin zu Niqabs und Madrasas verfolgt die sri-lankische Regierung eine eklatant diskriminierende Politik gegenüber Muslim_innen. Wir fordern die Behörden auf, die derzeit erwogenen Gesetzentwürfe zu überdenken, und wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, Maßnahmen zu ergreifen und die Freiheit und den Schutz der Minderheiten in Sri Lanka zu überwachen", sagte Kyle Ward. 

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