Aktuell Saudi-Arabien 09. Mai 2022

Saudi-Arabien: Reiseverbote für Aktivist_innen und ihre Familien sind unmenschlich

Die Grafik zeigt Portraits von zehn Menschen, worunter der Hashtag LetThemFly steht.

Im Rahmen der Aktion "#LetThemFly" setzte sich Amnesty im Mai 2022 für 30 saudi-arabische Menschenrechtsverteidiger*innen ein. Sie waren in grob unfairen Verfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Daüberhinaus verfügten die Behörden gegen die Verurteilten direkt nach dem Ende ihrer Haftstrafe ein Reiseverbot.

Die saudi-arabischen Behörden setzen willkürliche Reiseverbote als Mittel zur Bestrafung und Kontrolle von Aktivist_innen, Autor_innen und Journalist_innen ein. Dabei halten die Behörden diese im Land fest oder, bei im Ausland lebenden Personen, hindern ihre Familien daran, ins Ausland zu reisen.

Im Rahmen der Aktion "#LetThemFly" greift Amnesty die Fälle von 30 saudi-arabischen Menschenrechtsverteidiger_innen auf, die in grob unfairen Verfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden und gegen die direkt nach dem Ende ihrer Haftstrafe einem Reiseverbot verfügt wurde. Dokumentiert werden außerdem 39 Fälle, in denen Familienangehörige von Aktivist_innen – ohne jede offizielle Anordnung oder sonstige Mitteilung – ebenfalls unter ein Reiseverbot gestellt wurden. Dadurch werden die Familien von den Behörden faktisch auseinandergerissen.

"Der willkürliche Einsatz von Reiseverboten gegen Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen durch die saudi-arabischen Behörden spiegelt die düstere Realität in dem Land wider, in dem abweichende Meinungen auch weiterhin rücksichtslos unterdrückt werden, während die politische Führung von progressiven Reformen redet", so Lynn Maalouf, stellvertretende Direktorin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

"Aktivist_innen, die es gewagt haben, in irgendeiner Form Kritik oder Überzeugungen zu äußern, die der Führung des Landes nicht gefallen, wurden mit rechtswidrigen und zur Bestrafung gedachten Reiseverboten belegt, die ihr Recht auf Bewegungsfreiheit beschneiden und Auswirkungen auf wichtige Entscheidungen in ihrem Leben haben. Die saudi-arabischen Behörden müssen alle Reiseverbote aufheben, diesem repressiven Vorgehen ein Ende setzen und damit beginnen, die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Bewegungsfreiheit zu respektieren."

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Amnesty International hat mit acht saudischen Aktivist_innen gesprochen, die selbst mit einem Reiseverbot belegt waren oder deren Angehörige in Saudi-Arabien unter einem Reiseverbot stehen. Die im Ausland lebenden Aktivist_innen erzählten, wie sehr sie darunter litten, ihre Familien nicht sehen oder nicht in ihr Heimatland reisen zu können. Sie befürchten, bei einer Rückkehr nach Saudi-Arabien willkürlich festgenommen und inhaftiert zu werden.

Am 11. März 2022 wurde Raif Badawi, ein saudi-arabischer Blogger und Aktivist, nach Verbüßen einer zehnjährigen Haftstrafe freigelassen. Sollte jedoch sein Reiseverbot nicht aufgehoben werden, wird er seine Frau und seine Kinder weitere zehn Jahre nicht sehen können. Seine Verurteilung erfolgte nach einem grob unfairen Verfahren, das auf Anschuldigungen beruhte, die sich ausschließlich auf die Einrichtung eines Online-Diskussionsforums bezogen, für die er der Beleidigung des Islam beschuldigt wurde. Raif Badawi wurde außerdem zu einer Strafe von 1.000 Stockhieben verurteilt, von denen die ersten 50 am 9. Januar 2015 auf einem öffentlichen Platz in Dschidda vollstreckt wurden. Dies stellt einen Verstoß gegen das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen dar.

Abdulrahman al-Sadhan, ein Mitarbeiter der Organisation Internationaler Roter Halbmond in Riad, wurde am 12. März 2018 wegen des Betriebs eines satirischen Twitter-Kontos festgenommen und dann ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Er war zwei Jahre lang "verschwunden". Am 5. April 2020 wurde er zu 20 Jahren Gefängnis und einem daran anschließenden 20-jährigen Reiseverbot verurteilt, und das nur, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatte. Abdulrahman al-Sadhan befindet sich weiter in Haft, wo er weder Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung noch regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie hat.

Amnesty-Tweet über die Aktion "Let them Fly":

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"Sie reißen Familien auseinander"

Wie die in den USA lebende Schwester von Abdulrahman al-Sadhan, Areej al-Sadhan, Amnesty International mitteilte, führen Reiseverbote dazu, dass Menschen durch die massiven Auswirkungen auf ihr Berufs- und Privatleben kein normales Leben mehr führen können. Sie fügte hinzu, dass die Trennung von der Familie einen hohen psychischen und emotionalen Tribut fordern würde.

"Sie reißen Familien auseinander. Das ist ungerecht, illegal und unmenschlich", so Areej al-Sadhan. "Mit einem Reiseverbot wird Saudi-Arabien zum Gefängnis, zu einem Ort der Bestrafung, einem Ort, der den Menschen ihre Freiheit nimmt und Bürger_innen von ihrem Heimatland entfremdet."

Hintergrund

Saudi-Arabien setzt bereits seit vielen Jahren Reiseverbote ein, um kritische, abweichende Meinungen sowohl im In- als auch im Ausland zu unterdrücken.

Im Oktober 2021 veröffentlichte die in den USA-ansässige Menschenrechtsorganisation The Freedom Initiative, die sich für die Freilassung zu Unrecht inhaftierter Gefangener im Nahen Osten und in Nordafrika einsetzt, einen Bericht, in dem mindestens 89 Fälle dokumentiert sind, in denen US-amerikanische Staatsangehörige oder mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus in den USA lebende Personen in Saudi-Arabien inhaftiert oder mit einem Reiseverbot belegt wurden.

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